Im Triumvirat der drei Alben, die Nick Drake in seiner viel zu kurzen Karriere veröffentlichte, ist sein zweites: "Bryter Later" sein "Pop-Album" und es ist der beste Einstieg in Drakes Oeuvre. Nach dem Kammerfolk seines Debüts "Five Leaves Left" arbeitete Drake 1970 auf "Bryter Later" mit dem Arrangeur Robert Kirby zusammen, der die zehn Songs des Albums instrumentierte und großartige Streicherarrangements dazu schrieb. Drakes Produzent Joe Boyd, der später auch mit Vashti Bunyan, Kate McGarrigle, Maria Muldaur oder R.E.M. Platten aufnahm erklärte, "Bryter Later" wäre das "einzige perfekte Album, das er je gemacht" hätte. Derselben Meinung war auch der Tontechniker John Wood (Pink Floyd, Nico), der allen Nick Drake-LPs ihren makellosen Sound verlieh, heute sind sie gesuchte Trophäen von High-End-Freaks. Wenn es einen Drake-Song gibt, der damals Chart-Potential gehabt hätte, dann "Northern Sky" vom Album. Ein souliges und herbstliches Feeling hat "At The Chime Of A City Clock", auf dem Altsaxophonist Ray Warleigh eine "Call & Response"-Form mit Drake eingeht. Die Viola und das Cembalo von John Cale geben "Fly" einen barocken Touch. Später sagte Cale, "Bryter Later" hätte zwei Jahre später sein eigenes "Paris 1919"-Album wesentlich beeinflusst. Soul und Bossa klingen durch "Poor Boy", auf dem man die Leiden des jungen Drakes ein bisschen auf die Schippe nimmt, akzentuiert von zwei Backgroundsängerinnen: "Oh poor boy / So sorry for himself / Oh poor boy / So worried for his health." Im ersten Jahr verkaufte "Bryter Later" nicht einmal dreitausend Exemplare und bekam gemischte Kritiken. Der "Melody Maker" beschrieb es als "unbeholfenen Mix aus Folk und Cocktail-Jazz". Kurz nach der Veröffentlichung zog Joe Boyd von London nach Los Angeles um, wo er sich dem Schreiben von Filmsoundtracks widmete. Der Verlust seines Mentors im Zuge des Misserfolgs seines zweiten Albums stürzte Drake in eine tiefe Depression, die er nicht mehr überwinden würde. Heute ist "Bryter Later" eine Reliquie in den Plattensammlungen von Musik-Connaisseuren, es gilt als essentielles Album der Popgeschichte. Die zehn Songs mit ihrer "narkotischen", melancholischen, introvertierten und trotzdem leichten, sonnigen Ausstrahlung; Drakes fragile Stimme, sein meisterhaftes Gitarrenspiel, gepaart mit Kirbys elegant untertriebener Instrumentierung - all das wirkt tief in der Seele.
(Melanie Müller, www.pure.dee)