Embryo: "Auf Auf" (Madlib Invazion, Nov. 2021) |
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Christian Burchard, der das Ensemble Embryo gründete, liebte den Slogan "Auf Auf", deutsch für "Up, Up" oder "Keep On Going". Jeder, der sich auch nur ein bisschen für die deutsche Krautrock-Szene der 1970er und 1980er Jahre interessiert, weiß, dass Burchard diesem Motto in der ganzen Welt folgte, unermüdlich nach neuen Klängen und Inspirationen suchte und einen Katalog von Musik schuf, wie ihn die Welt noch nie gehört hat.
Madlib hat oft gesagt, Embryo sei seine Lieblingsrockband. Natürlich weiß der Hip-Hop-Produzent mit dem tiefsten musikalischen Wissen, dass Embryo mehr als nur eine Rockband ist.
Als Marja Burchard, Christans Tochter, die mit Embryo aufgewachsen ist und jahrelang mit ihnen auf Tournee war, nach Christians Tod 2018 die Leitung des Ensembles übernahm, begann sie mit den Aufnahmen zu dem Album Auf Auf. Es wurde über einen Zeitraum von zwei Jahren aufgenommen und inmitten der Covid-Pandemie im Jahr 2020 fertiggestellt. Sie wandte sich an Madlib und Egon - die Christian Burchard und Embryo-Musiker vor Jahren in einem bayerischen Weinkeller besucht und mit ihnen gejammt hatten - mit der Idee, Auf Auf auf Madlib Invazion zu veröffentlichen. Die Antwort war ein schallendes, definitives Ja.
Hier ist also Marjas Interpretation des Embryo-Ethos, die den unerschrockenen Stil ihres Vaters fortführt und die Band in ihrem eigenen Stil leitet. "Auf Auf" reicht vom tiefen, freien Jazz in "Alphorn Prayer" über modale Musik aus Afghanistan in Baran" bis zum psychedelisch angehauchten Jazz-Rock des Titeltracks.
An der Seite von Marja spielen unter anderem die Embryo-Veteranen Bunka (Oud und Gitarre) und Karl Hector and the Malcouns/Whitefield Brothers/Poets of Rhythm Produzent und Gitarrist Jan Weissenfeldt, darunter wichtige Akteure der globalen Szene aus Afghanistan und Marokko.
Otis Jackson Jr. Alias Madlib ist berühmter HipHop-Produzent und einer der größten Musikvermittler auf der ganzen Welt. Er hat keinen YouTube Kanal, keine Website – er führt ein zurückgezogenes Leben in Kalifornien — mit seinen Gerätschaften und etwa vier Tonnen Schallplatten. Er hat kein Archiv im klassischen Sinn. Fotos seiner Lebenswelt erinnern eher an ein Meer aus Vinyl, in dem er sich bewegt. Wenn er HipHop produziert, dann versatzstückt er Musik aus aller Welt. Wenn ein Stück aus seiner Plattensammlung erkannt wird, dann wird Musik wiederentdeckt, gesucht, wieder veröffentlicht — sie rückt ins Bewusstsein der globalen Musikgemeinde. Viele Menschen lernen auf diese Weise Musik kennen. Und wenige Menschen auf diesem Planeten haben so viel unterschiedliche Musik gehört wie Madlib. Doch wenn man ihn nach seiner Lieblingsband fragt, dann zeigt die Antwort nach München. Madlib liebt Embryo.
Von allen Münchner Bands, ist Embryo mit Abstand die internationalste. Dabei ist sie nicht einmal weltbekannt. 1969 schafft Gründer Christian Burchard ein musikalisches System, das sich gängigen Zuschreibungen entzieht. Embryo waren weder Krautrock noch Jazz, schon gar nicht Pop - Embryo schlagen Wurzeln in der ganzen Welt. Sie bespielen einen Raum der Neugierde und des Lernens, abseits der Leitkultur. Es gibt Gerüchte, sie hätten sich eines Nachts Instrumente aus dem Münchner Völkerkundemuseum „geliehen“ (und in einer anderen Nacht zurückgebracht).
Es ist eine steil anmutende These, aber vielleicht stimmt es ja: Keine Band der Welt hat so viele Konzerte gespielt, wie Embryo. Denn Embryo spielt in fünfzig Jahren überall wo etwas geht: Ihr Bus hält für Fernsehauftritte in Japan, auf Campingplätzen in Portugal, für ausverkaufte Hallen in Kalkutta, zu Straßenkonzerten in Tunesien — sie spielen in bayerischen Dörfern, vor Münchner Bioläden und Bibliotheken, in Clubs, Kommunen, Bürger*innenhäusern, auf gigantischen Open-Air-Konzerten — über fünfzig Jahre unfallfrei. Zumindest für Bandgründer Christian Burchard muss sich das ganze Leben wie ein einziges nicht enden wollendes Konzert angefühlt haben. Gibt es überhaupt Münchner*innen, die nie einem Embryo-Konzert beigewohnt haben? Jedoch: Bandmitglied bei Embryo zu sein, erfordert große Opfer. Das System der Band kennt keinen Komfort und ist entkoppelt von kommerziellem Verwertungszwang. Es stellt die Schönheit der Zusammenkunft über das Ergebnis und das, was andere Erfolg nennen. Und es lebt unterhalb des Existenzminimums. In letzter Konsequenz hat das nur Christian Burchard durchgehalten – dafür hat er sich über die Jahrzehnte mit über 400 wechselnden Mitgliedern verbunden. So entwickelt sich Embryo zum Anknüpfungspunkt für immigrierte Musiker*innen. Nicht selten stehen sie am Tag der Ankunft in Deutschland schon mit Embryo auf der Bühne. Ermunterung, Ermächtigung und unendliches Interesse an den musikalischen Formen der Welt schaffen einen Erfahrungsraum ohne Grenzen. Wenn wir eine neue Welt sein wollen, dann müssen wir die Welt sein!
2018 endet Christian Burchards tour de force im menschlichen Gewand. Er verstirbt nach langer Krankheit und hinterlässt weitverzweigte globale künstlerische und politische Allianzen, ein Haus voller Instrumente und Musikkassetten — und eine Band. Seine Tochter Marja Burchard führt seitdem die Geschicke Embryos. Sie ist seit der Kindheit Mitglied, spielt fantastisch Keyboard und Piano, Posaune, Schlagzeug, Vibraphon, war auf unzähligen Tourneen dabei — die Übergabe wirkt von langer Hand geplant. Nicht ausgeschlossen, dass Christian und Marja eine Seele sind, die sich in zwei Körpern manifestiert.
Vor kurzem erscheint „Auf Auf“, das erste Studioalbum von Embryo nach Papa Christians Ableben. Veröffentlicht wird es in den USA. Und da sind wir wieder bei Madlib, denn der hat mittlerweile ein Plattenlabel gegründet: Madlib Invazion. Der Bandgeschichte fügt dies ein neues Kapitel hinzu. Und es sorgt für wohlverdiente internationale Aufmerksamkeit.
(Sebastian Reier, Münchner Kammerspiele)
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Kettcar: "Gute Laune Ungerecht Verteilt" (Grand Hotel Van Cleef, April 2024) |
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Kettcar sind zurück
Gute Nachrichten für alle Indie-Fans: Kettcar veröffentlichen nach sieben Jahren endlich ihr neues Album »Gute Laune ungerecht verteilt«.
Die Hamburger um Sänger Marcus Wiebusch bestätigen hier ihren Status als Institution der handgemachten Musik mit Herz und Hirn. Die neuen Songs stecken voller Energie, sind abwechslungsreicher denn je und beweisen, wie sehr Kettcar dem deutschen Gitarren-Pop in den letzten Jahren gefehlt haben.
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Kacey Musgraves: "Deeper Well" (Universal/MCA Nashville, März 2024) |
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Die 7fache Grammy Gewinnerin Kacey Musgraves veröffentlicht mit »Deeper Well« ihr 5. Studioalbum. Mit der gleichnamigen ersten Single stellt Kacey wieder ihr großes Talent für eingängige Melodien mit tiefgehenden Texten unter Beweis. Schon ihr letztes Album, das die Spitze der US-Charts erreichte zeigt Kacey, wie fließend die musikalischen Grenzen zwischen Pop, Americana und Country sein können und hat sich somit weltweit eine riesige Fangemeinde erschaffen. In den USA schon ein Megastart wird sie mit diesem Album nun auch den Rest der Welt erobern.
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Brokof: "Blind Spot On The Bright Side Of Life" (Goldrausch, März 2024) |
Konzerthighlight: Wohnzimmer GE, Gelsenkirchen, 19.04.2024
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Can: "Live In Paris 1973" (Mute/Spoon, Feb. 2024) |
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Die gefeierte Can Live Serie wird mit einem Konzert in Paris mit Damo Suzuki fortgesetzt!
Can - »Live in Paris 1973« wird auf Doppel-Vinyl und Doppel-CD über Mute und Future Days (das neue EU-Label von Spoon Records) im Februar 2024 veröffentlicht.
»Live in Paris 1973« zeigt Can in magischer Form bei einem Auftritt, der am 12. Mai 1973 im Pariser L'Olympia aufgezeichnet wurde und bei dem erstmals Damo Suzuki am Gesang zu hören ist. Von 1970-73 wurde die Stammbesetzung von Irmin Schmidt, Jaki Liebezeit, Michael Karoli und Holger Czukay durch den japanischen Improvisator und Sänger Suzuki ergänzt. Sie lernten sich durch eine zufällige Begegnung kennen, als Suzuki als Straßenmusiker in München unterwegs war. Einige Monate nach dem hier veröffentlichtem Auftritt verließ Damo die Band.
Dieses neue Album in der Reihe ermöglicht es uns, die Band in einer besonders wichtigen Phase ihrer Karriere zu erleben, da zwei ihrer am meisten gefeierten Alben - Tago Mago und Ege Bamyasi, wobei letzteres in den Pariser Auftritt einfließt - erst kürzlich veröffentlicht wurden. Die Aufnahmen wurden von Gründungsmitglied Irmin Schmidt und Produzent/Sound Engineer René Tinner, die alle Alben dieser Reihe zusammengestellt und bearbeitet haben, aus Aufnahmen in den Archiven von Spoon Records und von hilfsbereiten Fans eingesandten Aufnahmen zusammengesetzt und für das 21. Jahrhundert aufgearbeitet.
Can, die in den späten 60er Jahren gegründet wurden und sich ein gutes Jahrzehnt später auflösten, haben sich mit ihrer beispiellosen und kühnen Verbindung von hypnotischen Grooves und avantgardistischen Instrumentalstrukturen zu einer der wichtigsten und innovativsten Bands aller Zeiten entwickelt, und diese Alben zeigen die Gruppe aus einer ganz anderen Perspektive. Man hört vielleicht vertraute Themen, Riffs und Motive, die auftauchen und sich durch diese Jams wälzen, aber es sind oft nur flüchtig wiedererkannte Gesichter in einer wirbelnden Menge. An anderen Stellen hört man Musik, die es nie in den offiziellen Albumkanon geschafft hat. Bei diesen Aufnahmen gehen Can in noch extremere Bereiche als bei ihren Studioarbeiten: von sanftem, atmosphärischem Drift-Rock bis hin zu Momenten, denen die Band den Spitznamen »Godzillas« gab. Und selbst wenn sie sich von Minute zu Minute dem Rhythmus anpassen und hinterher jagen, kann man die außergewöhnliche musikalische Telepathie hören, die ihre Mitglieder miteinander teilen.
Diese Veröffentlichung folgt auf »Can Live in Brighton 1975« [»Pure dynamite... keep them coming« - Mojo]; »Can Live in Stuttgart 1975«, [Uncut's »Reissue of the Year«, #2 in »Mojo's Reissues of the Year«, #7 in »The Wire's Archive Reissues of the Year«], und »Can Live in Cuxhaven 1976«, das ebenfalls in den »Reissues of the Year« stark vertreten war.
Live in Paris 1973 is the first official release of one of Can's most legendary performances, a May 12, 1973 set at L'Olympia. At this point, Ege Bamyasi had been out for about half a year, following the German chart success of the single "Spoon," and Damo Suzuki was merely months away from leaving the band and quitting music for a decade, while he devoted time to religion. This release of the concert was pieced together from several recordings found in the Spoon Records vaults, as well as tapes supplied by fans. In this sense, it's comparable to the editing process of the band's studio albums, which were crafted from hours' worth of improvised sessions. This live set is a largely unfiltered display of the band's powers when they were at their prime, with a few deft editing touches (such as a brief echo spiral in the middle of the 36-minute "Paris 73 Eins") seemingly applied to cover up breaks in the tape recordings, or other inconsistencies. Like the other Can live releases, the tracks are numerically titled, and generally seem like improvisations, but the group often riff off tunes from their albums, using them as launching pads instead of giving them straightforward readings. "Zwei" is based on the funky, time-shifting rhythm of "One More Night," and it's the set's purest distillation of Can's mastery of killer grooves. "Drei," based on "Spoon," starts out with murky fidelity but opens up after a few minutes, in time for the band to accelerate and really blast off. "Vier" expands on this volatile energy, and there's unbelievable chemistry between the rhythm section, Suzuki's impassioned howls, and Irmin Schmidt's volcanic keyboard eruptions. Finally, the group run through "Vitamin C," transforming it into an extended freak-out that probably lasted long after the tape cut off. Live in Paris 1973 is Can at their on-stage best, and easily the band's most essential live release.
(by Paul Simpson, All Music Guide)
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Sandy Denny: "Gold Dust - Live At The Royality" (Universal/Island, CD: Juni 1998 * Vinyl: Sept. 2022) |
[Fairport Convention: "Liege and Lief" (1969) |
Fotheringay (1970) |
"Sandy" (1972) |
Fairport Convention: "Rising For The Moon" (1975)]
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Gold Dust: Live at the Royalty captures Sandy Denny's final concert.
The show (performed on Sunday, November 27, 1977) was intended to be the
first date of an 11-city tour, but it turned out to be her last show ever.
It certainly wasn't the way anyone wanted Denny to leave the stage, but
it remains an affecting, surprising farewell. There are familiar items,
to be sure, but the concert also finds her breaking new ground and moving
away from traditional folk-rock to an edgier sound. These are subtle distinctions
that only hardcore fans will notice, but those fans will find Gold Dust
a minor treasure.
(by Stephen Thomas Erlewine , All
Music Guide)
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Mary Staves: "All Now" (Communion, März 2024) |
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Die letzten Jahre standen im Hause der Staves-Schwestern für Veränderung – so sind die eigentlich zu Beginn als Folk-Trio agierende Geschwister neuerdings zu einem Duo geschrumpft nachdem Emily Staveley-Taylor Mutter geworden ist, haben neu bei Communion Records einen Label-Deal unterschrieben. Seit 2012, als sich The Staves erstmals mit ihren kristallinen dreistimmigen Harmonien und ihrer beschwingten, vom Folk beeinflussten Songkunst vorstellten, hat sich auch der ‹klassische» Staves-Sound subtil, aber bemerkenswert verändert, und die Band schlägt ein völlig neues Kapitel auf.
Was jedoch geblieben ist, wie Fans und Kritiker bestätigen können, ist ihr Gespür für fesselnde Melodien und Verse, beides wunderschön umgesetzt von den stets zuverlässigen, schillernden Stimmen.
Konzerthighlight: Stadtgarten, Köln, 09.05.2024
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Mary Timony: "Untame The Tiger" (Merge, Feb. 2024) |
[Fairport Convention: "Liege and Lief" (1969) |
Television: "Marquee Moon" (1977) |
Richard Thomspon: "Hand Of Kindness" (1983)]
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Seit mehr als 30 Jahren bahnt sich die Singer-Songwriterin und Gitarrenheldin Mary Timony einen unverwechselbaren Weg durch die Welt der Independent-Musik, zuletzt als Sängerin und Gitarristin des gefeierten Garage-Pop-Power-Trios Ex Hex (Merge), aber auch als Mitglied der bahnbrechenden Postpunk-Band Autoclave (Dischord), gefeierte Frontfrau der zutiefst einflussreichen Helium (Matador), vielseitige Solokünstlerin (Matador, Lookout!, Kill Rock Stars) und Mitbegründerin der Supergruppe Wild Flag (Merge).
Von Carrie Brownstein von Sleater-Kinney als »Mary Shelley mit einer Gitarre« beschrieben und von Lindsey Jordan alias Snail Mail als »Wegbereiterin und Innovatorin« bezeichnet, hat sich Timony als eine der einflussreichsten ihrer Generation hervorgetan. Obwohl sie seit den frühen 90er Jahren eine Kultheldin und ein Kritikerliebling geblieben ist, wurden Timonys zahlreiche Triumphe lange Zeit durch lähmende Zweifel und Selbstzerstörung ausgeglichen.
Ihr fünftes Soloalbum, Untame the Tiger, geht diese Emotionen frontal an. Ihre erste Solo-Veröffentlichung seit 15 Jahren ist das verblüffende Dokument einer Künstlerin, die im vierten Jahrzehnt ihrer Karriere voll und ganz zu ihrer eigenen Kraft findet. Es ist das Ergebnis der Lektionen, die sie während eines lebensverändernden Kampfes gelernt hat. Das mystische, akustisch geprägte Untame the Tiger entstand nach der Auflösung einer langjährigen Beziehung und wurde durch den Tod von Timonys Vater und Mutter überschattet.
Das Album wurde während einer zweijährigen Periode aufgenommen, in der sie die Hauptpflegeperson für ihre kranken Eltern war. Die tektonische psychische Verschiebung, die Mary aufgrund dieses Verlustes erlebte, prägt viele ihrer Texte. Das herausragende Stück »No Thirds« »ist ein Song darüber, alles zu verlieren und immer weiterzumachen«, sagt Timony. »Ich wollte, dass die Strophen wie ein weit offener, karger Raum klingen, als würde man durch eine Wüste fahren, denn darum geht es in dem Song - Menschen zu verlieren und das Gefühl zu haben, dass deine Zukunft ein riesiger, weit offener, leerer Raum ist.« Die schlichte akustische Instrumentierung von »The Guest« erinnert an die Sweetheart-Ära der Byrds. Timony beschreibt es als ein Lied, das direkt auf die Einsamkeit gesungen wird: »Ich habe mir die Einsamkeit als einen Hausgast vorgestellt, der ständig an deine Tür klopft. Ich dachte, es wäre witzig zu sagen, dass die Einsamkeit der Einzige ist, der immer wieder zurückkommt.«
»Untame the Tiger« verschmäht Timonys Ruf als Gitarrenheld nicht; im Gegenteil, »Summer« genießt ihn geradezu, ein geradliniger Knaller, den man fast als »schnörkellos« bezeichnen könnte, bis sein anfänglicher Garagenrock-Stomp in die unerwartete Glückseligkeit eines doppelten Gitarrensolos mündet. »Ich wollte, dass die Aufnahme die Energie der Kinks, der frühen Dio und Elf oder von Rory Gallagher hat«, erklärt sie. »Ich habe auch viel von Gerry Raffertys erstem Soloalbum gehört und war inspiriert, zwei gleichzeitige Gitarrensoli zu haben.«
Untame the Tiger nimmt den Faden auf, der sich durch Timonys Freak-Folk-erwartungsvolle Soloalben der frühen 00er Jahre zieht. Die Basis-Tracks wurden im Studio 606 in Los Angeles aufgenommen, wobei Timony von Dave Mattacks, dem Schlagzeuger der legendären britischen Folk-Rock-Band Fairport Convention, unterstützt wurde. »Mattacks ist ein Held von mir und einer meiner Lieblingsmusiker aller Zeiten. Er ist eine wahre Legende. Ich hätte nicht in einer Million Jahren gedacht, dass er sich bereit erklären würde, auf meiner Platte zu spielen«, sagt Timony. »Vor der Session hatte ich eine Panikattacke und musste mich alleine auf den Parkplatz setzen, Als wir dann anfingen, zusammen zu spielen, fühlte es sich so großartig an, dass die Angst nachließ und sich in Aufregung verwandelte. Sein Spiel fühlte sich sofort vertraut an, was Sinn macht, weil es die Grundlage vieler meiner Lieblingsplatten ist.«
Untame the Tiger wurde von Mary Timony, Joe Wong und Dennis Kane produziert. Das Album wurde über einen Zeitraum von zwei Jahren im Studio 606, Magpie Cage, 38North und in Marys Keller aufgenommen. Die zusätzliche Technik stammt von J. Robbins (Jawbox, Burning Airlines). Zu den Musikern gehören Chad Molter (Faraquet, Medications), David Christian (Karen O, Hospitality), und Brian Betancourt (Cass McCombs, Devendra Banhart, Hospitality). Gemischt wurde das Album von Dave Fridmann (MGMT, The Flaming Lips, Mercury Rev), Dennis Kane und John Agnello (Dinosaur Jr., Kurt Vile, Waxahatchee).
.​.​.​die klare Klangdynamik kommt ebenso zur Geltung wie die perfekt abgestimmte Produktion.​ Das vorliegende transparent-pinke Exemplar sieht außerdem noch gut aus und passt hervorragend zum von Colin Burns designten Artwork.​
(MINT, April 2024)
Die Amerikanerin Mary Timony hat schon in sehr vielen Bands gespielt (Autoclave, Ex Hex, Wild Flag), ich lernte sie einst via Helium kennen. Solo hat sie es in den frühen 2000ern zu drei eigenen Alben gebracht (teils auf Matador), jetzt hat sie ein neues Werk am Start. Das überzeugt mich gleich mit dem herausragenden ersten Song „No Thirds“, ein stoisch-eleganter Sechsminüter von innerer Ruhe, getragen von einer ganz wunderbaren Gitarrenlinie (Riff wäre zu hart ausgedrückt). Mit Feelies-Vibe und eleganten Streichern (elektronisch?). Am Ende umspielen sich zwei munter plinkernde Gitarren sowas Schönes könnte ich ewig hören. Im Weiteren geraten manche Songs auch etwas schlichter im Sinn von unaufdringlich und wohlgeordnet. Die Gitarre ist durchgehend toll, angenehm unprätentiös aber doch sehr präsent ein bisschen fühle ich mich an Richard Thompson erinnert. Marys Gesang ist dagegen eher unauffällig, was aber kein bisschen stört. Der nächste Topsong heißt „Looking For The Sun“ und ist eine stoische Meditation auf der Basis einer akustischen Gitarrenfigur, teils mit kleinem Velvet Underground-Vibe. Die Gitarre verliert sich mal in elegischer Eleganz oder wird mit sparsamem Slide solide geerdet langweilig wird Mary Timonys Sechssaiter jedenfalls nie. Mein dritter Lieblingssong „Untame The Tiger“ erinnert gar deutlich an die jugendlich frische Joni Mitchell, was das Album endgültig zu einer souveränen Songsammlung einer gereiften Künstlerin abseits aller Trends und Genres macht. Am Schlagzeug sitzt erstaunlicherweise der legendäre Brite Dave Mattacks von Fairport Convention.
(Joe Whirlypop, www.glitterhouse.de)
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Steely Dan: "Northeast Corridor: Steely Dan Live!" (Universal, Okt. 2021) |
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Das Live-Comebackalbum
Mehr als 25 Jahre sind seit Erscheinen des letzten Livealbums von Steely Dan vergangen. »Alive In America« erschien 1995. Umso schöner, dass die Jazz- und Pop-Rock-Ikonen 2021 einen neuen Konzertmitschnitt veröffentlichen: »Northeast Corridor: Steely Dan Live« ist das erste Album ohne das 2017 verstorbene Gründungsmitglied Walter Becker.
Die Songs wurden auf der letzten Tournee der Gruppe aufgenommen, zum Beispiel bei Gigs im New Yorker Beacon Theater und im The Met Philadelphia. Die Auftritte der Band im Beacon Theater im Jahr 2018 boten thematische Shows, darunter Aufführungen ganzer Alben.
Die zwölf Songs starke Trackliste von »Northeast Corridor: Steely Dan Live« zeigt eine karriereumspannende Auswahl aus Steely Dans außergewöhnlichem Katalog mit coolen Grooves, eleganten subversiven Texten und ansteckenden Hits, darunter Songs der Alben »Can’t Buy a Thrill« (»Reelin’ In The Years«), »Countdown To Ecstasy« (»Bodhisattva«), »Pretzel Logic« (»Rikki Don’t Lose That Number«, »Any Major Dude Will Tell You«), »Aja« (»Black Cow«, »Aja«, »Peg«), »The Royal Scam« (»Kid Charlemagne»), »Gaucho« (»Hey Nineteen«, »Glamour Profession«) und »Everything Must Go« (»Things I Miss the Most«). Außerdem wartet eine Coverversion von »A Man Ain’t Supposed to Cry«. Der Norman Gimbel/Frankie Laine/Irving Reid-Song wurde unter anderem von Joe Williams aufgenommen.
Billed as the first Steely Dan live album in more than a quarter-century, Northeast Corridor: Steely Dan Live also bears the distinction of being the first Steely Dan album released since the death of Walter Becker in 2017. Donald Fagen decided to carry on with Steely Dan after the passing of his partner -- he often called his new group "The Steely Dan Band," which was enough to draw a distinction between the past and the present -- and Northeast Corridor documents that new phase, gathering 12 songs from the group's East Coast tour of 2018. The polish and punch of latter-day Dan remain, but things are indeed different. Becker's tart presence is missed, Fagen's voice is wispy, and the smooth professionalism does indeed seem as if it was designed to feel at home at venues like the Mohegan Sun casino. Underneath that gloss, there is indeed a sense of communal joy: Fagen and the Steely Dan Band feed off the energy of the audience, and the result is a slick good time.
(by Stephen Thomas Erlewine, All Music Guide)
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Faye Webster: "Underdressed At The Symphony" (Secretly Canadian, März 2024) |
[Auto-Tune Ãœberdosis mit Lambchop |
Nels Cline bei Blue Note]
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Faye Webster hat heute ihr neues Album »Underdressed At The Symphony« für bei Secretly Canadian angekündigt und teilt gleichzeitig ihre neue Single »Lego Ring (feat. Lil Yachty)«.
Eine Art Unbeschwertheit, allerdings mit melancholischem Rückgrat, ist die treibende Kraft hinter dem Song, auf dem Atlanta-Multikünstler Lil Yachty zu hören ist.
Die Songs von Faye Webster sind ein direkter Draht zum menschlichen Unbewussten, und »Underdressed at the Symphony« dokumentiert, was passiert, wenn man beginnt, aus den Trümmern der alten Routinen ein neues Selbst aufzubauen. Schon ihre zuvor veröffentlichten Songs »But Not Kiss« und »Lifetime« zeigen das selten erforschte Gebiet emotionaler Intimität, in dem Verlangen und Leidenschaft im Konflikt mit Trost, Verständnis und sogar platonischer Liebe stehen. Diese Themen finden sich in »Underdressed at the Symphony« wieder, zusammen mit hyper-spezifischen Symbolen, die ein Bild von Websters Leben zeichnen, wie z.B. »eBay Purchase History« oder die Objekte, die sie bei »Lego Ring« begehrt.
»Underdressed at the Symphony« wurde mit ihrer langjährigen Band in den Sonic Ranch Studios in Texas aufgenommen und schwelgt in Experimentierfreudigkeit, Verspieltheit und Abenteuerlust. Vocoder-Momente, Schnörkel eines Orchesters, gruselige Harmonien und Synthesizer kommen zum Vorschein, ohne die räumliche Qualität von Websters früherer Musik zu beeinträchtigen, sodass ihre Texte nach wie vor genügend Raum haben, mit zusätzlichen Bedeutungsebenen an die Oberfläche sprudeln. Matt ›Pistol‹ Stoessels Pedal Steel-Klänge sorgen für genau den richtigen Schimmer, während Nels Cline von Wilco seine unbestreitbar gefühlvollen Fingerfertigkeiten zu einer Reihe von Songs beisteuert. Das Zusammenkauern an der buchstäblichen Grenze zwischen den USA und Mexiko bot den Musiker*innen Raum zum Isolieren, Konzentrieren und Experimentieren.
Alle Songs auf diesem Album sind Live-Aufnahmen, von denen einige bereits beim ersten oder zweiten Take aufgenommen wurden und Websters Talent zeigen, aus einem ganz bestimmten, scheinbar kleinen Moment eine universelle Erfahrung zu ziehen.
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Vera Sola: "Peacemaker" (City Slang, Feb. 2024) |
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Die kanadisch-amerikanische Dichterin, Sängerin und Multi-Instrumentalistin Vera Sola macht zeitlosen, verblüffenden Sound, der Vergleiche mit Nick Cave, Nancy Sinatra, Leonard Cohen und PJ Harvey hervorruft.
Nach ihrem Debütalbum »Shades« (2018), das sie komplett alleine geschrieben, aufgeführt und produziert hat, erscheint ihr neues Album »Peacemaker« im Februar 2024 über City Slang.
Ihr Timbre ist dunkel, mystisch, die nachdenklichen Songs scheinen einer Welt schicksalhafter Erwartung zu entspringen.
(AUDIO + stereoplay, März 2024)
Ob samtig orchestrierte Gothic-Americana-Balladen oder treibender Outlaw-Rock, Aykroyd sitzt fest im Sattel [.​.​.​] mit einer Autorität und Eleganz, die Respekt einflößt.​ Ein Album mit Klasse.​ Und ein klasse Album!
(VISIONS, Februar 2024)
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(2024-04-11)