| Ebbot Lundberg und The Soundtrack Of Our Lives retten einmal mehr 
        den klassischen Rock der 60er-Jahre: Sie führen ihn ins dritte Jahrtausend. Wien - Ende der 80er-Jahre musste man sich um Ebbot Lundberg ernsthaft 
        Sorgen machen. Der junge Mann gab damals mit seiner heute legendären 
        Band Union Carbide Productions nicht nur auf Alben wie In The Air Tonight 
        oder From Influence To Ignorance den schwedischen Iggy Pop. Auch vom selbstzerstörerischen 
        Lebensstil und den Konzerten her standen alle Regler im roten Bereich. Alkohol und Amphetamine, Schweiß, Tränen und Gewalt. Bei einem 
        denkwürdigen Konzert im alten Wiener Chelsea, an das sich heute nur 
        mehr Menschen erinnern können, die gar nicht dabei waren, wurde die 
        gefährliche Mischung aus Größenwahn, persönlichen 
        Tragödien und nackter Zerstörungswut an die Grenzen geführt. Kaum hat man jenseits von Ebbot Lundberg einen Sänger und Performer 
        gesehen, der mit derartiger Konsequenz und mangelndem Respekt vor den 
        eigenen physischen wie psychischen Belastbarkeitsgrenzen zur Sache ging. Union Carbide Productions nahmen vor eineinhalb Jahrzehnten den Rock 
        'n' Roll der bösartigen Denkungsart so ernst, dass alles andere als 
        Kinderjause erscheinen musste. Selbst die beherzteren Vertreter des parallel 
        dazu auftretenden US-Grunge wie Mudhoney, Tad oder Nirvana wirkten dagegen 
        blass. Dass Lundberg diese Zeit überlebt hat, verdankt er heute sichtlich 
        nicht nur einem bescheideneren und bis hin zum Wohlstandsbauch gesundeten 
        Lebensstil. Schon die späten Union Carbide Productions hatten bezüglich 
        der Erweiterung von Lundbergs künstlerischem Spektrum - und damit 
        seiner Selbstrettung - zunehmend Probleme. Zu den metallisch kreischenden 
        Gitarren, den dumpfen Riff-Prügeleien und dem entfesselten Gebrüll 
        gesellten sich auch neue Einflüsse. Spurensicherung Bei der Nachfolgeband The Soundtrack Of Our Lives und in Folge auf grandiosen 
        und zwingenden Arbeiten wie Welcome To The Infant Freebase (1996) oder 
        zuletzt Behind The Music aus 2001 sind nicht nur zunehmend getragenere 
        Rocksongs zu hören. Die klingen nach dem Überfallkommando Iggy 
        Pop & The Stooges heute mehr nach nachfolgender Spurensicherung. Will 
        heißen: Ebbot Lundberg hat über all die Jahre nicht nur konsequent 
        an seinem Traum festgehalten, aus dem Chaos der Jugend die Stil- und Selbstsicherheit 
        des Alters zu destillieren. Auf dem jetzt dank der Fülle des Materials erschienenen ersten von 
        insgesamt zwei bis drei in schneller Folge zur Veröffentlichung geplanten 
        neuen Album, Origin Vol. 1 (Vertrieb: Warner), hat sich der gequält 
        bis gepresst, aber immerhin endlich singende Vollbart- und Kaftanträger 
        Lundberg als Demis Roussos des Gitarren-Underground gemeinsam mit seinen 
        Kollegen auch einen weiteren entscheidenden Schritt Richtung Diversifizierung 
        entwickelt. Den zügellosen Gitarren-und Entgrenzungsritualen von Iggy Pop & 
        The Stooges standen damals zeitgleich immer auch die konsensfähigeren 
        Modelle Rolling Stones, The Doors oder auch die etwas verschrobeneren 
        und hier endlich voll zur Geltung kommenden Love mit deren genialischem 
        Songwriter Arthur Lee zur Seite. Gerade deren abgehobener wie gleichzeitig erdverbundener Psychedelic- 
        und Folk-Rock-Klassiker Forever Changes aus 1967 scheint Lundberg Zeit 
        seiner neuen Band zunehmend zu beschäftigen. Inklusive aller für 
        einen gestandenen Sixties-Anhänger obligaten Beatles-Einflüsse 
        bei den Melodien wie Harmonien zeichnen sich auch die neuen Songs durch 
        eine ebenso gut abgehangene wie zeitlose Form von Rock aus. Der basiert auf poppigen Psychedelic-Spielereien ebenso, wie auf einem 
        festen Rockfundament. Die hier vermittelte Schwere (oder Schwerfälligkeit) 
        im Gestus wird immer auch leichtfüßig wie vom Songaufbau her 
        zwingend nach vorne marschierend interpretiert. Allein wie sich das wunderbar nostalgische und gleichzeitig moderne wie 
        zentrale Albumstück Transcendental Suicide ("We're gonna last 
        forever!") irgendwo im Zeitloch zwischen Gimme Shelter- oder All 
        The Young Dudes-Chören aufbaut! Am Ende bricht alles nach sechs Minuten im symphonisch nachklingenden 
        Tonbandchaos der späten Beatles zusammen. Doch dann geht es ohne 
        Naht mit einem mächtigen Riffrock, dem Stück Bigtime weiter: 
        "Welcome to the future!" Won't Get Fooled Again von Who's Next 
        von The Who aus 1971, die Durchhalteparole zum Ende der Sixties, kündet 
        in Kombination mit melancholisch verhallter Gitarrenlehrer-Konzertgitarre, 
        wimmernder Orgel, gemütlich tuckernden Analog-Synthesizern und vom 
        Punk her stürmenden und drängenden Gitarren vom Gefühl 
        des Sieges in der Niederlage. Danach doch wieder milde Resignation bei träge-hymnischer Melodie, 
        Heading For A Breakdown: "Some people think they're aging too fast, 
        living in a race against the past, they cannot feel the present day, but 
        there's always time to fade away." Rock, diese letzte Bastion des 
        Pop, in der es nicht zwangsweise peinlich wirkt, wenn jemand zurückblickt, 
        um Kraft für das Morgen zu schöpfen, kommt hier zu einem milde 
        stürmischen, neuen Höhepunkt. Zeitlose Größe. Klassikrock! 
       (DER STANDARD, 19.10.2004)  |