| Die ist irgendwie anders. In so ziemlich jeder Hinsicht.
            Eine der einflussreichsten und am meisten bewunderten Songschreiberinnen
            des Planeten zu sein und sich dennoch eine sechsjährige Auszeit
            zu nehmen, ist für Rickie Lee Jones nur auf den ersten Blick
            ungewöhnlich: zwischen The Magazine (1984) und Flying Cowboys
            etwa lagen auch fünf Jahre. Während die allerdings beim
            Tabletten- und Alkoholentzug vergingen, war es diesmal schlicht das
            Ausbleiben des kreativen Impetus. Ausgerechnet, so Jones, die Wahl von George W. Bush zum US-Präsidenten
            habe ihn wieder geweckt. Hört man sich an, was dabei herausgekommen
            ist, muss man ihm fast danken. The Evening Of My Best Day ist nichts
            weniger als Neuerfindung der Rickie Lee Jones durch sich selbst, einer
            Künstlerin, die auch von ihren Fans geliebt würde, wenn
            sie nur noch lauwarmen Eintopf servieren würde. Das allerdings
            war Rickies Sache nie. Schon Pirates
            (1981), ihr zweites Album, brach mit den Ästhetiken ihres selbstbetitelten
            Debütalbums (1979), um die künstlerische
            Persönlichkeit der Jones noch deutlicher werden zu lassen. Lieber
            schlug sie mit dem modernistischen Versuch Ghostyhead (1997) glorios
            fehl, als stillzustehen.
 Locker swingend beginnt das Album mit "Ugly Man", und man
            merkt es sofort: Rickie hat eine politische Botschaft, die bei "Tell
            Somebody", einem gospelhaft gestalteten Statement gegen den fatalen
            Patriots Act der Bush-Administration, noch deutlicher wird. Vor allem
            die Jazz-Anteile ihrer Musik sind stärker in den Vordergrund
            gerückt. Der Bläsersatz bei "Ugly Man" erinnert
            an Charles Mingus (in leise), "Bitchenostrophy" ist ein
            souliges Selbstzitat -- auf Französisch (!), "Little Mysteries"
            klingt interessanterweise ein bisschen nach Moloko, "Lap Dog"
            wie ein einziges, langes Tom-Waits-Zitat. "A Tree On Allenford"
            könnte mit seiner ergreifenden emotionalen Dichte fast vom Pirates-Album
            stammen, kommt aber ohne die orchestrale Breitwand aus.
 Natürlich hat Mrs. Jones wieder eine kongeniale, virtuos gefühlsechte
            Musikerriege um sich versammelt, aus der vor allem die instrumentale
            Stimme von Gitarrist Bill Frisell herausragt, die so genau mit Rickies
            vokaler ineinander greift, dass man sich fragt, warum die's erst jetzt
            miteinander machen. Vielleicht war's einfach vorher nicht so weit,
            wie ja auch The Evening Of My Best Day erst jetzt eins der besten
            Alben der Rickie Lee Jones werden konnte.(Rolf Jäger, Amazon)
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