Die grandiose, bombastische, alles niederwalzende Wiedergeburt des Progressive Rock. Die Stil-Schranken-zerschmetternde Rückkehr des kolossalen Konzeptalbums. Mehr als 80 bis an den Rand gefüllte Minuten einer Rock-Genialität, die jeglichen Atem raubt. Kurz: Das Magnum Opus von Motorpsycho. Entschuldigt die Häufung von Superlativen, aber selbst der Motorpsycho-Kenner und -Verehrer gerät ins Schlingern, angesichts dieses voluminösen Wahnsinns, der in allen Belangen nur von Größe und Schönheit kündet. Im ansprechend dicken Mehrfach-Klapp-Digipak (wahlweise auf wertem Doppel-Vinyl) kommt ein Ausnahmewerk daher, das selbst im reichen Katalog der norwegischen Rock-Grenzgänger einzigartig ist. Mehr als zwei Jahre der Entwicklung steckt in dem Projekt, dass das Trio gemeinsam mit dem Keyboarder & Komponisten Stale Storlokken erarbeitete, fast dreißig Musiker, darunter das Trondheim Jazz Orchestra und das Ensemble Trondheimsolistene, erschufen das aus 13 kunstvollst konzipierten Epen bestehende Opus, das mir den Glauben an die unstillbare Lebendigkeit und kreative Kraft des Progressive Rock wiedergibt. Obwohl zahlreiche, orchestrale klassische Motive verwandt und mannigfache, gern auch lustvoll disharmonische Jazz-Querverweise verarbeitet werden, ist das Konzeptwerk kein mehrfach durchgekautes, nach Zahlen gemaltes Rock meets Klassik meets Jazzalbum, sondern ein lebendiges, vielfältig schillerndes, aus allen Schubladen berstendes, dennoch natürliches Amalgam geworden, das mit Metall-harten oder bös-verzerrten Blues-Gitarren, machtvollem Schlagwerk, mitreißendem Gesang, Klarinetten-Kaskaden, Saxophon-Salven und breitester Blech-Blas- und Streich-Orchester-Allmacht dem final ergötzten Hörer die Sinne raubt. Kaum in einem einzigen Hörgang zu erfassen, gewinnt der vor Ideen platzende Progressive-Rausch mit jedem neuen Zusammentreffen, wobei nur der komplette Genuß auch der volle Genuß ist. Herrlich, dass mich nach den Jahrzehnten des aktiven Musikhörens ein neues Album noch derart überfahren, mitreissen und beglücken kann. Ein Mammut-Meisterwerk. (cpa)
(Glitterhouse)
Die jazzig-spacige ProgRock-Opera-Vertonung einer dem Unheil geweihten Odyssee par excellence. Obendrein eine fantastische Motorpsycho-Platte: "The Death Defying Unicorn".
Die umsichtigste Herangehensweise an ein neues Motorpsycho-Album ist seit jeher der Versuch, das Unerwartete zu erwarten, da die Vorweginformationen über das Schaffen der drei Norweger zumeist etwas irrige Vorstellungen wecken. So lauteten diese diesmalig, dass es sich bei "The Death Defying Unicorn" um ein Kollaborationswerk mit dem Jazz-Keyboarder Ståle Storløkken mit Jazzorchester und Streicher-Oktett im ganz großen konzeptuellen Prog-Rock Stile handele. So weit, so gut, doch reicht diese Umschreibung nicht einmal ansatzweise an die kaum glaublich grandiosere Realität heran.
Wie jüngst im motor.de-Interview bereits angemerkt, war das Grundgerüst für das Konzeptalbum in seiner ursprünglichen, orchestraleren Form für das Trio ein Novum, an das sie dann noch einmal verrockte Hand angelegt haben. Das Endprodukt kann nur als fantastische Synthese aus klassischen, jazzigen und rockigen Elementen bezeichnet werden, das sich in keiner Sekunde in die generisch-überkandidelter-ProgRock-Schublade versenken lässt. "The Death Defying Unicorn" ist die Geschichte einer Odyssee, die keinen besonders glücklichen Verlauf nimmt. Klanglich wundervoll untermalt; latente Bedrohung und Verzweiflung sind durchweg spürbar, jeder Ausbruch in akustischem Bombast nach dräuendem Spannungsaufbau gestaltet sich geradezu als eine Erlösung.
Da es sich um ein wunderbar rundes Konzeptwerk handelt, fällt es besonders schwer einzelne Stücke herauszugreifen, und dies, obschon die Einteilung in dreizehn Tracks gegenüber einer Spielzeit von 84 Minuten für Motorpsycho geradezu zivile Verhältnisse sind. Die arg trippigen Rockgewitter in "Through The Veil", "Into The Gyre" und den Abschluss-Tracks "Mutiny!" und "Into The Mystic" schicken ungeheuer kraftvoll nach sehr weit draußen, während die instrumentalen und jazzlastigen Parts, wie im Opener "Out Of The Woods" unglaublich Nerven aufreibende und fast schon klaustrophobische Zustände hervorrufende Bedrohung implizieren. Neben den Streichern leisten hier die Bläser sehr gute Dienste, alleine die Klarinette sorgt für eine ganz neue Ebene der spookiness.
Trotz seiner Länge ist "The Death Defying Unicorn" jedoch ungemein kurzweilig. Während die Platte beim ersten Durchlauf noch etwas schwieriger greifbar zu sein scheint, löst sich dieser Schwebezustand der Ungewissheit spätestens beim zweiten in absolutes Wohlgefallen auf und was in dieser norwegischen Alchemistenhütte so formvollendet an Epischem zusammengebraut wurde, gerät sehr schnell zum Suchtmittel.
Wohl liegen Analogien zwischen diesem Album und Werken von King Crimson und den frühen Genesis gar nicht einmal so fern, zumal es wirklich viele hübsch eingeschweißte Anlehnungspunkte an den klassischen ProgRock bietet. Allerdings geht es noch weit darüber hinaus: Es ist eine Motorpsycho-typisch untypische Platte. Die Lust am Spiel, am Experiment, am Eingehen einiger wohltaxierter Wagnisse ist zu jedem Zeitpunkt deutlich zu vernehmen und ein Angebot, von dem sich nicht alleine eingefleischte Psychonauten werden mitreßen lassen. "The Death Defying Unicorn" ein verflixt gutes Album.
(Stephan Sauer, www.motor.de, 10.02.2012)
Zwei Jahre nach dem umjubelten, hochkomplexen und ausufernden Heavy Metal Fruit gehen Motorpsycho noch einen Schritt weiter. In Richtung Prog, in Richtung psychedelischer Rockoper, in Richtung Rockolymp. Geht das? Und vor allem: Geht das gut?
Diese Musik hat eine Tiefe, die The Death Defying Unicorn zum vielleicht bedeutsamsten, sicher aber auch zum angreifbarsten Album der Bandgeschichte machen. Denn wer kann das hier noch verstehen? Außer denen, die Motorpsycho verstehen? Höchstwertung – in diesem Fall das Minimum.
(VISIONS, 12/12 Punkten)
Gut, absolut gelungen, macht Spaß – Auch alten Fans verlangt „The Death Defying Unicorn“ hier und da ein wenig Eingewöhnung ab, entlohnt die Arbeit aber, wie gewohnt, tausendfach. Schön, dass man sich auf manche Dinge im Leben einfach noch verlassen kann.
(INTRO)
Große Grunge-Jazz-Avantgarde-Rockoper! (Good Times, April / Mai 2012)