Seine Alben gehören zu den Perlen der Return To Sender-Mailorder-only-Reihe; kein Zweifel, dass auch diese exklusive Live-Aufnahme die Tradition fortsetzen hilft. Mitgeschnitten am 14. Juni 1999 im The Basement, Circular Quay, Sydney, bietet die Aufnahme Louis Tillett in allen Schattierungen (von düster-grau bis optimistisch hellgrau): Im Duett mit Charlie Owen, im Sextett (mit Penny Ilkinger, E-Gitarre; Jim Dickson, Bass; Nick Fisher, Drums und Dianne Spence, Tenor-Saxophon) oder in Breitwand-Stärke (mit zusätzlichen Bläsern und einer drängelnden Hammond-Orgel). Ähnlich vielseitig stellt sich auch die Stilbreite des dargebotenen Repertoires dar: da läßt ein kraftvoller Rhythm'n'Blues seine Muskeln spielen, wird dem nächsten Stück gehörig Groove & Soul eingehaucht, verwandeln ausgedehnte Instrumental-Passagen ein Lied zu fließendem Fusion-Jazz, läßt ein Gitarre-Klavier-Duett fragile Intimität regieren. Vor allem aber erkennt man einmal mehr, dass dem Tillett'schen Liedgut das Live-Moment eine weitere Lebensebene verleiht - sei es durch neue Arrangements, durch das lebendige Gruppen-Spiel, durch den Kontakt zum Publikum. Und dann darf auch der ein oder andere optimistische Moment durchscheinen. Natürlich wird dadurch die Weltsicht des Hünen dadurch nicht unbedingt bunter. Der Grundton bleibt skeptisch-düster-verhangen, die Trauer des Augenblicks wird ausgekostet, im melancholischen Bild ist immer genug Platz, sich zu aalen. Aber die musikalische Vielfalt, mit der Tillett seinem Bild der Welt hier Ausdruck verleiht, ist einfach beeindruckend. Wobei den Instrumental-Passagen viel Platz eingeräumt wird, die 11 Lieder werden in komfortablen 64 Minuten dargeboten, kaum ein Song vergeht, ohne dass die Instrumente angemessenen Raum zum Ausdruck gefunden haben.
Sei es das Klavier, das leise Arpeggien tropfen läßt; die akustische Gitarre, die vorsichtig-zurückhaltend die dunkle Stimme umrahmt oder die E-Gitarre, die wütend-verzerrt und doch bestimmt die Grenzen ihrer Ausdrucksmöglichkeit sucht oder das Saxophon, das in längeren Improvisationsphasen freie Assoziationen schweben läßt: Tillett-Konzerte sind auch und vor allem Thema für Musiker und Freunde variablen Instrumentalspiels. Wenn auch nicht aufdringlich, so merkt man doch die musikalische Geschichte des Künstlers, den Werdegang vom klassischen Klavierspieler über den Jazz und Blues hin zum Rock und Pop der australischen Independent-Szene.
Auch live setzt sein Klavier Zeichen, bleibt aber stets Instrument einer Band-Besetzung, spielt sich nicht in den Vordergrund, ist Bestandteil der selten starren Gesangsbegleitung, öfter noch Teil der langen gemeinschaftlichen nie zu selbstzweckhaften Improvisationen. Und doch - bei all der musikalischen Fülle, den Freiräumen, die der Band gelassen werden - Tillett bleibt auch ein Songwriter, einer der Geschichten erzählt, einer, der von düsteren wahren Sachen in schönen Melodien zu singen weiß. Dabei ist seine Stimme sonor-schmeichelnd, erinnert manchmal an die dunklen Töne John Cale's, gibt sich aber voller, melodischer und fügt sich warm in das harmonische Ganze. Und bewegt sowohl in den leisen Momenten zwischen Klavier und Gitarre als auch wenn die gesamte Band inklusive 3-Fach-Gebläse richtig aufdreht.
Die CD gehorcht dabei einer durchstrukturierten Dramaturgie; beginnt zurückhaltend intim mit Tillett und Owen, wandert durch verschiedene Stile und Besetzungen, streift auch World-Music-Elemente, nimmt an Energie und Dynamik zu, um schließlich bei den letzten Stücken über sich selbst hinauszuwachsen. Da wird es dann richtig schön breit arrangiert und kann den offenen Hörer wohlig überfahren. Und nach dem Genuß kann man sich dann zurücklehnen, einen Moment innehalten, ruhig durchatmen - und mit den leisen Tönen von Midnight Rain wieder von vorne anfangen.
(Glitterhouse)