Michael Chapman gilt als »elder Statesman des britischen Songwritings« und »True North« ist der meisterhafte Nachfolger seines universal gefeierten Albums »50« aus dem Jahr 2017.
»True North« hat eine intimere klangliche Handschrift, ist atmosphärischer, texturierter und minimalistischer als »50«, stattlich und melancholisch gleichermaßen und findet Chapman an der Gitarre in einer noch tieferen Tiefe, die seinem ikonischen Schreiben einen immer stärkeren Schliff verleiht. Aufgenommen in den Mwnci Studios im ländlichen Westen von Wales, veranschaulicht »True North« unnachgiebige Untersuchungen von Zuhause und Horizont und reist von den Bahamas über Texas bis zu dem Leeds von Chapmans Kindheit, geplagt von den Trugbildern der Erinnerung und den Andeutungen der eigenen Mortalität.
Auf dieser introspektiven Reise begleiten ihn alte Freunde und neue Schüler: Steve Gunn produziert und spielt wieder Gitarre und Bridget St. John, eine britische Songwriterin, singt in Zusammenarbeit mit der Cellistin Sarah Smout und dem legendären Pedal Steel Player BJ Cole - der alle von John Cale bis Scott Walker, Elton John bis Terry Allen, Felt bis Björk begleitet hat. Bei Erscheinen von »True North« ist Chapman achtundsiebzig Jahre alt und hat fast ebenso viele Platten veröffentlicht - eine durchaus erstaunliche Leistung.
Das elegische »True North« durchquert das tückische Territorium der Zeit, was es zum persönlichsten Album seiner Karriere macht. Das Album beginnt mit der nagenden Reue von »It's Too Late«, und jeder Song, den Chapman danach singt, verweist direkt auf den Lauf der Zeit - seine blinde Rücksichtslosigkeit, seine süßen, verschwommenen Wonnen - in einer schwarzmalerischen Sprache, die in ihrer Kürze und Präzision fast mystisch ist.
Ein sublimes Hörvergnügen.
(Stereo, März 2019)
Wer gedacht hat, dass der „Elder Statesman des britischen Songwritings“ nach seinem 2017er Dienstjubiläum „50“ mit 78 Jahren womöglich in Rente geht, hat sich getäuscht. Auch 2019 ist Michael Chapman wieder mit einem neuen Album da. Gemeinsam mit dem ebenso jungen wie aufregenden Producer Steve Gunn (auch als Musiker wieder dabei) war er wieder in Wales im Studio, wo sich auch Bridget St. John, die Cellistin Sarah Smout und der führende britische Pedal Steeler BJ Cole einfanden. Mit dem späten Herbst seiner Karriere geht Chapman nach wie vor recht spielerisch um: „Youth Is Wasted On The Young“ heißt einer seiner neuen Songs. Stilistisch reicht das zweifellos reife Album von deutlichen Syd Barrett-Anklängen (sogar frühe, folky Pink Floyd) bis zu elegischem Kammerfolk mit schwebenden Cello-Passagen (Marke Nick Drake). Noch schöner ist aber die atmosphärische Pedal Steel von Cole, dem sogar in zwei Instrumentals Raum für cineastische Tiefe gegeben wird. Chapmans Stimme klingt verwittert, mal ein wenig erschöpft, teils aber auch in knarziger Tom Waits-Nähe. Insgesamt ein beeindruckend archaisches Songwriter-Werk mit leicht psychedelischem Americana-Einschlag. Würde mich nicht wundern, wenn Michael Chapman uns noch eine Weile erhalten bliebe.
(Joe Whirlypop, Glitterhouse)