Mark Lanegan zählt zu den aufregendsten und umtriebigsten Künstlern der amerikanischen Rockmusik-Szene. Von der Zeit als Kopf der Grunge-Ikonen The Screaming Trees über seine Jahre bei den Stoner-Rock-Stars Queens of the Stone Age bis hin zu seiner aktuellen Teilzeit-Band The Gutter Twins: Wenn der 47-jährige Sänger und Gitarrist aus Seattle an einem Projekt mitwirkt, entsteht dabei Herausragendes. Im Februar 2012 erscheint nun endlich sein neues, siebtes Soloalbum „Blues Funeral“, das erste seit sieben Jahren. Es gibt heutzutage nur wenig Künstler, deren Qualitäten derart signifikant sind wie die von Mark Lanegan. Ob Stil, Songwriting, Stimme, seine aufwühlenden Texte oder seine gesamte Aura: Lanegan verströmt etwas Mystisches und Dunkles, das seinesgleichen sucht. Neben seiner Stimme begeistert vor allem die besondere Fähigkeit, sein Wirken in die unterschiedlichsten stilistischen Kontexte zu stellen. Ob Psychedelic-, Grunge- und Stoner-Rock, ob Folk-Balladen, schwermütiger Blues oder pumpende Elektronik-Musik, immer findet Mark Lanegan den passenden, dunkel-mysteriösen Ton. Deshalb haben sich in den vergangenen drei Jahrzehnten zahlreiche internationale Musiker darum gerissen, mit ihm zusammen zu arbeiten.
Seine Sporen verdiente sich Lanegan als Kopf der Seattler Formation The Screaming Trees. Mit ihnen veröffentlichte er zwischen 1986 und 2000 sieben Alben, von denen einige zu den besonderen Perlen der Grunge-Ära zählen. Parallel begann er, ab 1990 eine Karriere als Solokünstler voran zu treiben und veröffentlichte bis heute sechs Alben, auf denen er stets von einigen der bedeutendsten Musikern der Zeit unterstützt wurde; darunter Kurt Cobain (Nirvana), Dave Grohl (Foo Fighters) oder Josh Homme von den Queens of the Stone Age. Nach dem Ende der Screaming Trees dockte er deshalb für zwei Alben als festes Mitglied bei den Queens an, womit er endgültig international bekannt wurde. Das vergangene Jahrzehnt nutzte er für die Expandierung seiner Erfahrungen. Er schrieb und produzierte drei getragene Folk-Alben gemeinsam mit Isobel Campbell (Belle & Sebastian), lieh seine Stimme britischen Elektronik-Acts wie UNKLE, Bomb the Bass oder Soulsavers und ging unter dem Namen The Gutter Twins eine Kollaboration mit seinem Langzeit-Freund Greg Dulli (The Twilight Singers) ein. Ihr 2008 veröffentlichtes Debüt „Saturnalia“ gilt als eines der besten Rock-Alben dieses Jahres. Schon lange konnte man ihn deshalb nicht mehr als Solo-Künstler vernehmen – die spannenden Angebote waren schlicht zu zahlreich. „Bubblegum“, sein letztes Solo-Album, das trotz seines düster-schleppenden Electro-Blues weltweit in die Top 40 der Charts einstieg, stammt bereits von 2004. Im Februar 2012 hat das Warten ein Ende, dann erscheint sein neues Solo-Album „Blues Funeral“. Auch jetzt wurde er wieder von zahlreichen prominenten Musikern unterstützt, darunter Josh Homme, Greg Dulli, Jack Irons (Red Hot Chili Peppers, Pearl Jam) und Alain Johannes (Queens of the Stone Age, Eagles of Death Metal), der „Blues Funeral“ in seinem Studio in Los Angeles produzierte.
Der Zusatz „Band“ hätte mir gleich auffallen sollen, denn statt eines downtempo countrifizierten Openers legt der Mann mit der ins Mark gehenden Baritonstimme gleich recht heftig los. Es sollen tatsächlich 8 Jahre vergangen sein seit seinem letzten Solowerk Bubblegum, aber Lanegan war trotzdem immer da – drei tolle Kooperationen mit Isobel Campbell, die Gutter Twins und diverse Gastauftritte (Soulsavers, Twilight Singers…) sprechen von Betriebsamkeit. Hier steckt wenig drin vom grungigen Hardrock der Screaming Trees oder den Country-Folk-Roots seiner Soloplatten. Treibende, düstere Rhythmen bestimmen das Album, Lanegan’s Grummeln wirkt tröstlich und angsteinflößend zugleich – so ganz war ihm nie zu trauen (obwohl Lanegan vor 25 Jahren Sub Pop Artist war, habe ich mit den Sub Pop Honchos Bruce und Jonathan in Seattle die Strassenseite gewechselt, als er uns entgegen kam). Hier regieren harte Gitarren und Soundwälle, manchmal nach vorne gedrückt von elektronisch anmutenden Beat, manchmal fast in guter alter News Wave oder gar Dark Wave Nähe. Das verstört die Erwartungshaltung, aber Mark Lanegan hat eben eine einzigartige Stimme und genug Charisma, um das alles überzeugend rüberzubringen. Yes.
(rh, Glitterhouse)