Das neue Motorpsycho Album »The Crucible« beginnt visuell und musikalisch dort, wo das letzte Album »The Tower« geendet hat, nimmt aber bald seine eigene Schattierung an und es ist klar, dass es nicht als Fortsetzung bezeichnet werden kann: Dies ist einen Schritt weiter als sich die Band mit »The Tower« gewagt hatte. Obwohl es lyrisch breiter ist, ist es musikalisch noch schärfer fokussiert und, falls überhaupt vorstellbar, noch eigentümlicher und eigenständiger als je zuvor.
Zweifellos ein Motorpsycho-Album, das den Kopf von neuen Psychonauts zum Drehen bringen wird, sich aber für den Anhänger angenehm unvertraut anfühlt. »The Crucible« wurde im August 2018 in den Monnow Valley Studios in Wales von Hans Magnus Ryan (Gitarren, Gesang), Bent Sæther (Bass, Gesang) und Tomas Järmyr (Schlagzeug) sowie den Co-Produzenten Andrew Scheps und Deathprod aufgenommen. In deren Ohren und zur Zufriedenheit der Band hat sich dieser Co-Production-Trick wunderbar bewährt und hat zu einem wunderschön gearbeiteten Album geführt, das zwar kürzer, aber mindestens genauso ehrgeizig wie sein berühmter Vorgänger ist.
Es ist sowohl fokussierter als auch inhaltlich dichter, aber auch kompositorisch ehrgeiziger als »The Tower«. Man könnte vielleicht denken, dass dies zwangsläufig zu einem verminderten Schallangriff führt, aber das Album hat immer noch die Schlagkraft wie sie eine gute Rockplatte haben sollte.
Der Motorpsycho-Purist möge mir uraltem Prog-Rock-Priester mein unmaßgebliches Urteil verzeihen, aber was hier mit schlicht scheinender, nahezu klassischer Hard Rock-Heftigkeit beginnt, in der heiligen Art-Rock-Epik-Einteilung (3 Stücke, 9, 11 und 21 Minuten lang) gereicht wird und sich durch wahre Klang-Täler und -Berge zum himmlisch-hymnischen Rausch-Gipfel erhebt, ist nicht nur eines der großartigsten Motorpsycho-Monumente, sondern auch mit das beste, vielschichtigste und stilistisch breiteste Werk, welches mir in den letzten Jahren im weiten Progressive Rock-Reich begegnet ist. Das mag an den bekannten, über Jahre gewachsenen, spielerischen und kreativen Fähigkeiten und Eigenheiten der Skandinavier liegen, es sind aber auch die vielfältigen Verwandtschaften und gerade den Kenner beeindruckenden Nähen zum klassischen Art- & Prog-Rock der drei vor Energie und Einfallsreichtum überschäumenden Epen, die das Herz heftiger schlagen lassen. Das reicht von den herzhaften Harmonie-Wechseln früher und frühester Genesis-Alben über ausgelassen-entfesselte Instrumental-Exkursionen instrumentaler Meisterschaft seliger Yes-Close To The Edge-Tage bis hin zum an die Grenzen getriebenen geordneten Chaos, Markenzeichen klassischer Van Der Graaf Generator-Grenzwanderungen. Zwischen ausufernder Spiellust und vokal verzaubernden CSN-Dreistimm-Wundern, King Crimson-werten Mellotron-Wällen und zart-akustischen Renaissance-Ruhe-Oasen, ergötzlich endlose Gitarren-Exkurse und einem alle Phantasie-Ketten sprengenden Schlagwerk wird hier ein oft über die Grenzen metallener Härte hinaus wütender, treibend-tosender, schranken-schreddernder Schall-Sturm entfesselt, der bei jeder neuen Begegnung mitreissender wirkt, in der magischen Mitte zwischen energischer Emotion und artistischer Ausformung seine furiose Kraft entfaltet und wieder einmal vergessen lässt, dass auch dies majestätische Monument Werk eines Trios ist. Wobei auch die Co-Produzenten Andre Scheps und Deathprod und nicht zuletzt Susanna als verzaubernd wirkender Gesangsgast das ihrige zur Schaffung eines bleibenden Mamut-Meisterwerks beitragen. Für mich eines der reifsten, faszinierendsten Motorpsycho-Meisterstücke.
(cpa, Glitterhouse)
Es gibt nur wenige Bands, die über drei Jahrzehnte hinweg so zuverlässig Qualität abliefern wie Motorpsycho aus dem norwegischen Trondheim. Ihr neues Album besteht nur aus drei Tracks, aber in denen lassen sie es ausgiebig krachen. (...) Ein Synonym für ungebremste Gestaltungswut.
(stereoplay, März 2019)