Das gesamte Spektrum von Yo La Tengo
Yo La Tengo stehen 2018 mit ihrem neuen, mittlerweile 15. Album in den Startlöchern. »There’s A Riot Going On« heißt die erste neue Studioplatte seit »Fade« (2013). Der Titel ist eine Referenz zum gleichnamigen Album von Sly and the Family Stone aus dem Jahr 1971.
Gleich vier Songs veröffentlichten die Alternative-Ikonen bereits im Voraus: »You Are Here«, »Shades Of Blue«, »She May, She Might« und »Out Of The Pool«. Alle vier zeigen, dass Georgia Hubley (Gesang, Schlagzeug), Ira Kaplan (Gesang, Gitarre) und James McNew (Bass) auch nach mehr als 30 Jahren Bandgeschichte vor Kreativität nur so sprudeln: Alternative Rock, Indie, Folk, Psychedelic, Funk: auf »There’s A Riot Going On« offenbaren Yo La Tengo ihr gesamtes Spektrum. Mit sage und schreibe 15 neuen Tracks haben sie auch genug Möglichkeiten dafür.
Außerdem machen sie deutlich, dass sie ein perfekt eingespieltes Team sind. Kein Wunder, dass sie auch die Produktion von »There’s A Riot Going On« selbst in die Hand nahmen. Nur beim Mixing ließen sie sich von John McEntire unterstützen.
Das Resultat ist ein absolut abwechslungsreiches Album, das sich nur schwer in eine Schublade stecken lässt: »There’s A Riot Going On«.
Der reißerische Albumtitel trügt: hier geht es musikalisch sehr beschaulich zu. Milde plinkern die Gitarren, ungehetzt regiert der klassische Velvet Underground-Groove. Georgia Hubley, Ira Kaplan und James McNew haben im Proberaum ein wenig herumgejamt, mitgeschnitten und daraus ein Album gezaubert. Ohne Producer, der alte Weggefährte John McEntire hat anschließend nur noch den Mix gemacht. Hier werden die Dinge also betont einfach gehalten. Die immerhin 15 Songs geraten auch mal ambientös, ohne Vocals oder verspielt percussiv, es dominieren aber die typischen, ausgeruhten Soft-Psychedelia-Nummern mit gewollt laschem, süßlichem Gesang und hypnotisch plinkernden oder auch mal fuzzigen Gitarrenflächen. Manches wirkt improvisiert, bzw. wie Ausschnitte aus den längeren Jams, teils auch postrockig verdaddelt und leicht orientierungslos. Um dann aber wieder zu kleinen, runden und harmonischen Songs mit Sixties-Feeling zu finden, mit immer zurückgenommenem Gesang und sanft pluckernden (teils fast karibischen) Rhythmen. Dieser schlaffe Exotica-Vibe macht mich beim Hören ziemlich schläfrig, manches erinnert an die guten (aber wohl vergessenen) Pram oder Tortoise. Einmal erweist man dem Bossa-Pionier Walter Wanderley einen verorgelten Tribut, ein anderes Mal wird die Mitte zwischen frühen Pink Floyd und Stereolab gefunden. Oft passiert aber auch schlicht gar nichts. Fans werden die Musik als in sich ruhend und gelassen-schön finden, Skeptiker könnten dieses Album aber auch schlicht langweilig finden. Ich tendiere diesmal zu Zweiterem.
(Joe Whirlypop, www.gitterhouse.de)