Bacharach-Perlen, Sunshine-Pop und Brill-Building-Sounds vom Mann aus Georgia.
Welcome back, Mr Cash! 2008 veröffentlichte der Mann aus Athens, Georgia, sein allenorten gefeiertes Debütalbum mit dem hintersinnigen Titel "How Will I Know If I m Awake". Der Multiinstrumentalist gönnte sich eine dreijährige Pause, um 2011 mit einem noch kunstvolleren Album aufzuwarten. "How Strange It Seems" überzeugt mit feinsinnigen Arrangements, vielschichtigen Gesangsharmonien, extravaganten Tonartwechseln und vertrackten Rhythmen. Cash wollte schon immer Songs "so wie früher aufnehmen". Es wurden weder Mühen noch Kosten gescheut, um die besten Musiker der Stadt anzuheuern und zu einem Orchester von immerhin 30 Musikern zusammenzuführen. Mit Erfolg: Das Ergebnis klingt wie ein vergessenes Popmeisterstück der 60er- und 70er-Jahre, als hätte Burt Bacharach noch einmal in die
Archivkiste gegriffen, um ein paar unveröffentlichte Perlen rauszugreifen. Schönster Westcoast-Sound, brillante Brill-Building-Tunes und sonnigster Sunshine-Pop à la The Free Design oder The Swingle Singers. Und der Hidden Track überrascht gar mit einem funky Disco-Boogie-Hook!
It's probably not a surprise that the swooping and slow orchestral arrangement that kicks off How Strange It Seems could be from some prime Jimmy Webb or Bacharach/David-written piece from the 1960s -- or that Brent Cash's title for that first piece is "I Wish I Were a Song," which he sweetly and gently sings. Like his debut solo effort, How Strange is definitely an indulgence in a kind of pop that doesn't exist anymore, not just from one specific era but blended together into its own metastyle that's unable to escape the past and intentionally not wanting to do. The huge statement-of-purpose splashiness of the first song (which is also reprised as the last) almost overwhelms everything else, making it "just" easygoing indie pop with an understandably elegant edge, but it still works nicely enough, from the harpsichord breaks and Phil Spector drum beats on "It's Easier Without Her" to the piano-led "Don't Turn Your Back on the Stars." Cash's voice doesn't quite soar as much as it does on the album's signature, favoring instead the kind of tender whisper that suggests something rather than driving it home, though the contrast between that and the massed male choral vocals toward the end of "I Just Can't Look Away" become a moment of remarkable melodrama. The slightly more "rock" songs (as such) like the title track use electric guitar only as shading or framing for the main melody and performance, to enjoyable effect. There's also something perfect about the song title "Where Do All the Raindrops Go," a sentiment that works a variety of ways. The short instrumental of lush ocean-liner-lounge funk of "I Can't Love You Anymore Than I Do" is another fun nugget -- Chuck Mangione would appreciate both the trumpet and the wah-wah.
(by Ned Raggett, All Music Guide)
Geheimtipp Brent Cash
Ein luxuriöses Hobby namens Sunshine-Pop
Er hat keine mächtige Plattenfirma und kein Heer von Facebook-Freunden, er beschallt keine hippe TV-Serie und twittert nichts Aufregendes - also nehmen die Medien den soften Retro-Pop von Brent Cash kaum wahr. Welch' himmelschreiende Ungerechtigkeit!
In dem Hollywood-Film "High Fidelity" gibt es diese herrliche Szene, in der ein Plattenverkäufer ein Album der eher obskuren Beta-Band in seinem Laden auflegt und tatsächlich, wie von ihm prognostiziert, im Handumdrehen einen Schwung Beta-Band-Platten verkauft.
Jedes Jahr erscheinen viele tolle Platten, die kaum bemerkt werden, weil niemand das Publikum auf sie aufmerksam macht. Ein aktuelles Beispiel ist ein Amerikaner mit dem klangvollen Namen Brent Cash. Dessen neues Album "How Strange It Seems" ist seit vergangener Woche zu haben, und die Wahrscheinlichkeit, dass es überhört wird, ist bestürzend groß.
Das wäre ein Jammer, denn "How Strange It Seems" zählt zu den beglückendsten Alben dieses Frühsommers. Gut, es ist keine Platte, die die Welt aus den Angeln hebt, aber immerhin außergewöhnliche Musik, die über die Distanz von elf Songs hinweg elegant und verspielt ihre Hörer bezirzt. So entrückt wie die Mädchen, die auf der Plattenhülle mit ausgebreiteten Armen am Strand tanzen, klingen die Songs von Brent Cash: Schwelgerisch und virtuos inszeniert er Tagtraum-Retro-Pop, zusammengesetzt aus geschmeidigen Streichern, Bläsern, Vibraphonen, Harfen und der samtenen Stimme des Künstlers.
Dass das umwerfend klingt, ist der Erbschaft einer Tante zu verdanken, die möglich machte, dass nichts am Computer generiert, sondern alles tatsächlich eingespielt worden ist. Ein Reiz dieser Musik liegt auch darin, dass sie aus der Zeit gefallen scheint, wie ein verschollenes und wiederentdecktes Meisterwerk der frühen siebziger Jahre. Das erinnert mal an alte TV-Serien-Melodien und überrascht mal mit einem Hauch von Disco. Aber vor allem ist es eine Sammlung erstklassig geschriebener Songs.
Atemberaubend unmodern
Damit reiht sich Brent Cash ein in ein sonniges amerikanisches Genre, das Spezialisten Sunshine-Pop nennen und zu dessen Helden The Carpenters, Burt Bacharach, Paul Williams, Roger Nicols, Todd Rundgren, Swingle Singers, Harry Nilsson und Brian Wilson zählen. Alles Spezialisten für sanft melancholische Wohlklänge, alte Meister, die von Kritikern in diesem Jahrtausend gern zu Vergleichen herangezogen werden. Nachwuchskräfte wie Brent Cash hingegen werden von den Medien kaum wahrgenommen.
Das mag daran liegen, dass einer wie Cash von allen hippen Genres der Gegenwart Lichtjahre entfernt ist. Er hat auch kein Heer von Facebook-Freunden, twittert nichts Aufregendes, ist also atemberaubend unmodern. Cash muss obendrein ohne Medienkampagnen auskommen, zu ihm werden keine Journalisten geflogen, es werden keine Plakate geklebt, und in coolen US-TV-Serien wird seine Musik schon gar nicht platziert.
Dass man mit Siebziger-Jahre-Soft-Pop in diesem Jahrtausend dennoch punkten kann, bewies im vergangenen Jahr Rumer mit ihrem exzellenten Debüt-Album. Doch hinter der Britin steht der mächtige Warner-Konzern. Um Brent Cash kümmern sich dagegen nur zwei Idealisten aus Hamburg-Eimsbüttel, die dort das kleine Label Marina Records betreiben. Statt viel Geld haben sie nur Leidenschaft zu bieten. Damit haben sie sich weltweit einen so exzellenten Ruf erarbeitet, dass Brent Cash vor einigen Jahren eine Demo-CD aus Athens, Georgia, nach Hamburg schickte.
Via E-Mail lässt er nun wissen, dass ihm kommerzieller Erfolg nicht besonders wichtig sei. Er habe einen richtigen Job, und die Musik sei sein luxuriöses Hobby. "Sie macht mich glücklich." Daran sollten mehr Menschen teilhaben.
(Christoph Dallach, 03.06.2011, www.spiegel.de)